Einwintern von Sumpfschildkröten

Während sich vor einigen Jahren kaum jemand Gedanken über die Überwinterung seiner Sumpfschildkröte(n) gemacht hat, nehmen die Anfragen zu diesem Thema immer mehr zu. Jetzt werden sich bestimmt viele wundern, warum ich hier über Sumpfschildkröten und nicht über Wasserschildkröten schreibe. Der Begriff Wasserschildkröten ist zwar in fast aller Munde verbreitet, nur handelt es sich tatsächlich um Sumpfschildkröten. Zu den Sumpfschildkröten gehören nicht nur die europäischen Emys, sondern auch die Gattungen Trachemys, Pseudemys, Graptemys, Chrysemys und selbst die asiatischen Chinemys, um nur mal einige der am häufigsten hier gehaltenen Arten aufzuzählen. Da die Verbreitungsgebiete der Sumpfschildkröten in den unterschiedlichsten Klimazonen liegen, muss man sich  - bevor man über's Einwintern nachdenkt - über folgende Punkte im Klaren sein:

  • welche Art(en) habe ich überhaupt in meinem Vivarium / Aquaterrarium sitzen?
  • wo lebt diese Art in freier Natur? 
  • macht sie auch dort eine Winterruhe?
Wem diese Punkte unklar sind, möge sich bitte anhand von entsprechenden Quellen informieren.

Nachdem die o. a. Infos vorhanden sind, wird man sehr leicht feststellen können, ob die Tiere keine Ruhephase machen, lediglich eine verminderte Aktivitätsphase haben oder eine richtige Winterruhe halten, teilweise ist dies auch in den Fachbüchern erwähnt.

 

verminderte Aktivitätsphase:

Hierbei reicht es, die Heizung vom Aquarium abzuschalten und die Beleuchtung unserer Helligkeitsdauer anzupassen. Für einige Wochen kann die Beleuchtung auch ganz abgeschaltet bleiben. Die Tiere müssen bei dieser Variante weiterhin gefüttert werden, allerdings nehmen sie in dieser Zeit wesentlich weniger Nahrung zu sich als in der Hauptaktivitätsphase.  Diese Form der "Überwinterung" wendete ich bisher bei chrysemys picta dorsalis und chinemys reevesi an. Die Dauer dieser Ruhephase kann man aus den o. a. Klimatabellen erkennen.

 

Winterruhe / Hibernation:

Hier möchte ich gleich vorwegschicken, daß eine Überwinterung in unseren Teichen und Gewässern sowie im Freien aufgestellten Aquarien oder nicht wärmeisolierten  Dachböden völlig indiskutabel ist. Ein Aquarium im Freiland friert zu schnell ein und würde durch die Eisbildung ohnehin zerstört werden. Wenn Wasser zu Eis gefriert, dehnt es sich aus, was zum Reissen oder Springen der Glasscheiben führt. Dieses Phänomen kann mit einem Eiswürfelbehälter im Gefrierfach oder in der Tiefkühltruhe nachgestellt werden: das Volumen eines Eiswürfels ist grösser als die Menge Wasser, die man eingefüllt hat. Die ganzjährige Teichhaltung ist deswegen abzulehnen, da viele Tiere - falls sie unseren Winter überhaupt überleben - bereits im Februar durch die ersten warmen Sonnenstrahlen "geweckt" werden und langsam an die Oberfläche kommen. Ein erneuter Frost sorgt dann für den sicheren Tod der Tiere. Bei einer Überwinterung auf dem Dachboden ist die Gefahr, daß es tagsüber durch die Sonne zu warm wird, zu groß. Oft reichen nur wenige Grad Temperaturunterschied, damit die Kröten Aktivitäten entwickeln. Durch das ständige Aufwärmen und Abkühlen bricht irgendwann der Kreislauf und die Funktion der Körperorgane zusammen.

 

Überwinterung nach Freilandhaltung:

Am Einfachsten ist die Durchführung einer Überwinterung, wenn die Tiere den Sommer über im Freiland leben. In temperaturbegünstigten Regionen  läßt man sie einfach solange im Teich, bis sie von selbst in eine Starre fallen und überführt sie dann direkt in ihr Überwinterungsquartier. Dieses kann ein kalter Keller oder ein Kühlschrank sein. Auch hier gilt wie bei den Landschildkröten, daß es der Schildkröte völlig egal ist, wo es kalt ist, hauptsache es ist konstant kalt genug. Da es nicht in allen Regionen gleich warm ist, muß man ggf. mit Heizmaßnahmen in Form von Frühbeet oder Gewächshaus mit Strahlungswärme gegensteuern. Wichtig sind ebenfalls Ausstiegshilfen wie Teichmatten, Kokosmatten, Jutesäcke, etc., da die Tiere durch das zunehmend kältere Wasser in ihrem Bewegungsablauf geschwächt werden und nicht die Kraft wie im Sommer haben. Sollten diese Möglichkeiten nicht realisierbar sein, müssen die Tiere rechzeitig vor Kälteeinbruch hereingeholt werden, dann ist so zu verfahren, wie es im nächsten Abschnitt beschrieben ist.

Überwinterung bei ganzjähriger Haltung im Vivarium / Aquaterrarium:

Hier schaltet man die Heizung ab und senkt langsam die Beleuchtungsdauer, passt sie am besten unserer Helligkeitsdauer an. Wenn möglich, dann stellt man ein Aquarium in einen ungeheizten Raum, damit sich die Tiere besser auf die kühlere Temperatur einstellen. Sollte der Keller nicht kalt genug sein, bleibt nur das kontrollierte! Rausstellen auf Balkon / Terrasse / Garage in einer ausbruchssicheren Box. Die Box wird nur so gering mit Wasser gefüllt, dass sich das Tier komplett im Wasser befindet, jedoch bequem Luftholen kann. Eine weitere Möglichkeit ist die "trockene" Einwinterung, wie sie häufig bei Moschusschildkröten angewandt wird. Hierzu wird die Box nicht mit Wasser sondern mit Substrat gefüllt.  Das Substrat kann ein Rindenmulch-Erde-Gemisch, Erde-Sand-Gemisch oder Kokosfaser sein sowie Sphagnum-Moos, wenn man welches bekommen kann. Auf jeden Fall muß es gut feucht gehalten werden.. Wenn die Temperatur der im Kühlschrank nahekommt, kann der Behälter mit Tier in den Kühlschrank überführt werden.

Temperatur:

Es sind während der gesamten Überwinterung Temperaturen zwischen 4° und 6°C einzuhalten. Bereits ab 10°C (manche Tiere auch schon bei 8°C) entwickeln die Tiere Aktivitäten, was dazu führt, daß der Stoffwechsel langsam entscheidend in Gang gebracht wird und die Tiere nicht zur Ruhe kommen. Durch die trägen Stoffwechselaktivitäten und den temperaturbedingt nicht richtig arbeitenden Organen können nach der Winterruhe Organe gänzlich ausfallen (z. B. Leberverfettung)

Behälter:

Als Behälter für die Überwinterung eignet sich alles, was  wasserdicht ist und nicht rostet bzw. oxydiert. Dies kann eine Plastikbox (Curver, Tupper, Europlast, etc.) sein oder auch eine Auflaufform aus Keramik (aber bitte nicht in den Ofen sondern in den Kühlschrank schieben). Der Wasserstand sollte nur so hoch sein, daß der Panzer des Tieres bedeckt ist und das Tier jederzeit die Möglichkeit hat, bequem die Nase aus dem Wasser zu strecken, um Luft zu holen. Die Grösse der Box richtet sich nach der Grösse des Tieres, es sollte jedoch etwas Platz zum Bewegen vorhanden sein (wir bewegen uns im Schlaf ja auch).

Allgemeines:

Es kursieren noch Hinweise, daß es gut sei, dem Wasser für die Überwinterung Salz und / oder schwarzen Tee hinzuzufügen. Hiervon rate ich persönlich ab. Eine zeitlang galt bei dem Einen Salz als pilzhemmend, Tee als Zufuhr für den Elektrolythaushalt, andere erzählten es genau andersherum. Salz ist auf alle Fälle pilzhemmend, jedoch vertragen es nicht alle Arten, beispielsweise chrysemys picta dorsalis. Über den Tee hatte ich mit einem Chemiker gesprochen, der mir dann erklärte, daß der Tee auch in kaltem Wasser Tein abgibt, bei langer Lagerung auch Koffein aussetzt. Wie sich diese Stoffe auf die Schildkröten auswirken ... keine Ahnung ... daher lieber nicht.

Es ist nicht vertretbar, aus eigenen Bequemlichkeiten heraus die Winterruhe unnatürlich zu verlängern oder in den Sommer zu verlagern (Sommerferien).

Kranke Tiere dürfen nicht eingewintert werden. Häufige Fälle bei Sumpfschildkröten sind Bakterien- und / oder Pilzbefall und dadurch entstandene oder entstehende Nekrosen. Dies muss unbedingt abgeheilt sein, da ansonsten bei dem langen Aufenthalt im Wasser ein rapides Ausbreiten der befallenen Stellen zu erwarten ist.

 
Störungen während der Winterruhe:

Die Tiere sind umgehend (langsam in 3 - 4 Tagen) auszuwintern, wenn folgende Umstände eintreten:

  •  Das Tier ist sehr unruhig und will nicht schlafen (adultes Weibchen - Eier im Körper?, Darmparasiten oder Darmerkrankungen (auch Futterreste können gären)?, andere Erkrankung ?)
  • Äußere Veränderungen an der Haut oder am Panzer (Nekrosen oder alte unbehandelte Verletzungen)
  • Kotausscheidungen mit sichtbarem "Wurmbefall" 
  • Eindeutige "Rotznase" (Schnupfen)
  • Geschwollene Augen, Beläge im Maul
  • Schaumbildung am Maul
  • Atemgeräusche
  • Schimmelbildung auf Wasser und Tier 
Einige Tiere können durchaus innerhalb weniger Stunden nach der Entnahme aus dem Kühlschrank schon sehr aktiv sein und brauchen nicht mehrere Tage, bis sie in die Gänge kommen.
Wie beende ich nun die Winterruhe richtig und was ist dabei zu beachten ?

Beendigung der verminderten Aktivitätsphase:

Nachdem beim Einwintern die Heizung vom Aquarium abgeschaltet und die Beleuchtung unserer Helligkeitsdauer angepasst und / oder abgeschaltet wurde, schalten wir diese wieder ein. Für die Beleuchtungsdauer empfehle ich, sich an der Helligkeitsdauer draussen zu orientieren. Die Heizung sollte - je nach Art - langsam auf die ursprüngliche Temperatur hochgefahren werden. Dies gilt insbesondere bei kleinen Becken, da sich diese wesentlich schneller aufwärmen als grosse Becken.

Beendigung der Winterruhe / Winterstarre / Hibernation:

Die Tiere bleiben zunächst in dem Überwinterungsbehälter. Dieser wird aus dem Bereich, wo überwintert wurde (kalter Keller, Kühlschrank), langsam in einen wärmeren Bereich überführt. Hierfür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Ihr bei Euch aber selbst austüfteln müßt. Beispiele sind: anderer Kellerraum, Kellertreppe, Hausflur, im Frühjahr auch Balkon, Terrasse, Garage. Die Umgebungstemperatur darf nicht ruckartig um viele Grade erhöht werden, die Tiere haben - wie wir Menschen auch - einen Kreislauf, der bei zu grossen Temperaturveränderungen zum Erliegen kommen kann. Irgendwann zeigen die Tiere vermehrte Reaktionen, dann sollten sie, sofern in einem kleinen Behälter überwintert wurden, in einen grösseren Behälter überführt werden. Einige Tiere können durchaus innerhalb weniger Stunden nach der Entnahme aus dem Kühlschrank schon sehr aktiv sein, andere brauchen Tage, bis sie in die Gänge kommen. Wichtig ist, dass bei den "erwachten" Tieren nicht sofort ein hoher Wasserstand zur Verfügung steht, die Tiere müssen bequem aus dem Stand luftholen können, andernfalls ist ein Ertrinken möglich. Insbesondere emys neigen verschiedenen Berichten zufolge in den ersten Tagen nach der Überwinterung zur Orientierungslosigkeit. Wenn die Tiere dann richtig aktiv sind, können sie wieder ins Aquarium oder je nach Art und Aussentemperatur ins Freigehege überführt werden.