Der Hund als Endwirt von Neosporacaninum, Übertreibung oder wirklich eine Gefahr für unsere Rinder?


Neospora caninum ist ein eng mit Toxoplasma gondii verwandter, obligat intrazellulärer Einzeller, der zunächst bei Hunden im Zusammenhang mir schweren Erkrankungen - wie tödlichen Enzephalmyelitiden, Polyradikuloneuritiden und Polymyositiden- entdeckt und erst 1988 als eigenständige Parasitenspezies beschrieben wurde. Erst vor wenigen Jahren wurde der vollständige Entwicklungszyklus von N.caninum bekannt und der Hund als Endwirt bestimmt, der nach oraler Infektion mit Gewebezysten Oozysten ausscheiden kann, die in der Umgebung innerhalb weniger Tage wiederum zu infektiösen Stadien heranreifen.
Die Rolle des Zwischenwirtes nimmt neben vielen anderen Tieren vornehmlich das Rind ein. Der Mensch kommt im (Gegensatz zu T.gondii) bei N.caninum nach unserem heutigen Wissensstand als Wirt nicht in Frage. Für N.caninum sind zwei Infektionswege von Bedeutung: der vertikale (pränatale oder kongenitale) während der Trächtigkeit und der horizontale. Beim Rind wird der vertikalen Übertragung die größte Bedeutung zugemessen, hier kommt es vor allem zu Aborten, Totgeburten und Geburten lebensschwacher Kälber.

- Infektion des Hundes:

Hunde infizieren sich durch die orale Aufnahme von Parasitenstadien in infiziertem Gewebe, also Gewebszysten aus Gehirn und Muskulatur von Zwischenwirten oder aus Abortmaterial. Ob eine natürliche Infektion des Hundes durch die orale Aufnahme von sporulierten Oozysten möglich ist, konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden. Unklar ist auch, wie viele Hunde unter natürlichen Bedingungen überhaupt Neospora-Oozysten ausscheiden. Trotz intensiver Suche nach Hunden, die unter natürlichen Bedingungen Neospora-Oozysten ausscheiden, sind bisher nur wenige Fälle diagnostiziert worden.
So wurden in einer deutschen Studie von 11586 Hundekotproben nur 0,009% als Oozysten von N.caninum diagnostiziert.

- Infektion des Rindes:

Die Infektion des Rindes mit N.caninum kann auf zweierlei Weisen erfolgen:

-vertikal und
-horizontal.

Bei der vertikalen Übertragung wird der Erreger von der Mutter über viele Generationen auf die Nachkommen via zirkulierende Tachyzoiten übertragen. Der zweite mögliche Infektionsweg für Zwischenwirte ist die horizontal Infektion durch die orale Aufnahme von sporuliertenNeospora.Oozysten mit verschmutztem Futter oder Wasser. Dabei kann es zu einem epidemieartigen Anstieg der Abortrate in einer betroffenen Herde kommen.
Die Bedeutung der horizontalen Übertragung scheint weltweit unterschiedlich zu sein. Ungeklärt ist, wie häufig es zu horizontalen Infektionen kommt, da Neospora-Oozysten von Hunden meist nur sehr spärlich ausgeschieden werden und zudem trotz intensiver Untersuchung nur ein relativ geringer Prozentsatz Oozysten-ausscheidender Hunde gefunden wurde.

 
- Vermeidung der Infektion des Hundes als Endwirt:

Zur Unterbrechung des Infektionszyklus sollte Aufnahme von Abortmaterial oder Nachgeburten durch Hunde unterbunden werden. Hunde sind in positiven Betrieben prinzipiell von allen Stallungen fernzuhalten. Das Verfüttern von Schlachtabfällen oder rohem Fleisch an Hunde ist strikt zu unterlassen. Dies gilt nicht nur für Rindfleisch, sondern auch für Wild.
Die Einflußmöglichkeiten auf die Übertragung von Neospora über Oozysten aus Hundekot sind für den Landwirt eingeschränkt. Diese Stadien sind in der Umwelt mit den gängigen Methoden nicht aufzufinden und haben eine lange Überlebensdauer (genaue Daten sind nicht bekannt, analog zu verwandten Arten ist aber von einer Lebensdauer von mehreren Monaten auszugehen).
Dazu kommt die Möglichkeit der Verschleppung von Kot über belebte und unbelebte Vektoren auf weitere Flächen.
Die Aktionen der Bauernverbände gegen Hundekot auf Weiden und Futterflächen, die zur Zeit mit dem Hinweis auf die Gefahr von Neospora-Infektionen beim Rind durchgeführt werden, sind nach dem momentanen Kenntnisstand nicht gerechtfertigt, da sie nicht maßgeblich zur Verhinderung der Parasitenübertragung beitragen können. Der Infektionsdruck, der von den „Freizeithunden“ oder „Spaziergängerhunden“ ausgeht, wird als weniger bedeutsam eingeschätzt als das Vorhandensein von Hunden auf eigenen oder benachbarten Betrieb als mögliche Überträger. Insbesondere der Zugang zu infektiösem Abortmaterial macht Hunde in ländlichen Gegenden zu besonders gefährdeten Endwirten.
Eine mögliche Erklärung für die Ergebnisse bisheriger Risikoanalysen liegt darin, dass Hofhunde selbst einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind als Stadthunde, die v.a. mit Fertigfutter gefüttert werden und zu einem geringeren Teil rohes Fleisch oder Schlachtabfälle fressen.
Entsprechend waren in einer österreichischen Seroprävalenzstudie Hunde aus ländlichen Gegenden wesentlich häufiger infiziert als Stadthunde (5,3 bzw.2,0% ). Zudem ist die Seroprävalenz in Österreich mit 2,54% positiven Rindern im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie der Schweiz ( 11,5% ), Großbritannien ( 17%) oder den Niederlanden ( 39,4% ) auch eher gering.