Einwintern von Landschildkröten

Die herbstelnde Stimmung draußen signalisiert uns und unseren Schildkröten gleichermaßen, daß der Winter nicht mehr allzu weit entfernt ist. Sinkende (Nacht)temperaturen, geringere Sonnenscheindauer und Tageslänge, die feuchtere Luft: Alles sind für die Schildkröten Signale, sich bald ein geeignetes Winterversteck zu suchen, um dort ihre Winterruhe zu verbringen. Wir merken es unseren Tieren daran an, daß sie weniger oder gar nicht mehr aus ihrem Versteck heraus kommen und nicht mehr fressen. In den meisten Regionen Deutschlands kann man jedoch die Schildkröten für die Winterruhe nicht einfach im Freiland lassen. Entweder man hat ein sehr gutes Schutzhaus, in dem in eine Grube lockeres Substrat aufgefüllt wird, worin sich die Schildkröten tief genug vergraben können. Darüber gibt man dann außerdem noch einen Berg mit Stroh zum Isolieren. Oder man holt sie ins Haus und überwintert sie in einem geeigneten Keller oder in einem Kühlschrank. So komisch das vielleicht klingen mag: der Schildkröte ist es egal, wo es kalt ist; wichtig ist, daß es wirklich kalt genug ist.

Für Griechische und Maurische Landschildkröten (bitte nur T. graeca ibera !) sind konstante Temperaturen von 4 - 6 °C geeignet; für Russische Landschildkröten sogar Temperaturen von nur 2 - 4 °C ! Je stärker die Temperatur über dem Sollwert liegt, desto mehr geht bei den Tieren der Stoffwechsel weiter und der Organismus kommt nicht zur Ruhe. Es werden weiterhin Körper-Fette abgebaut und die unvollständig "zerlegten" Stoffwechselprodukte überschwemmen im Frühjahr die Organe. Dies kann zu einem vollständigen Zusammenbrechen der Organfunktionen führen und die Schildkröte stirbt nach einer mehr oder weniger langen Leidenszeit nach der Winterruhe.

Deshalb sind Überwinterungstemperaturen von 8°C oder gar 12°C strikt abzulehnen, weil sie für die Tiere gefährlich sind.

Vor der Winterruhe ist wichtig, daß die Schildkröten auf Wurm- und Flagellatenbefall untersucht und im Fall des Falles behandelt wurden. Erst 8 Wochen nach der ersten Medikamenteneingabe sollte eine Schildkröte eingewintert werden. Der Organismus braucht Zeit, um die Parasiten und das Medikament los zu werden. Kranke Tiere dürfen nicht eingewintert werden. Genauso untergewichtige Tiere nicht.

 

Wie wird nun eine Schildkröte auf die Winterruhe vorbereitet ?

Wenn man die Schildkröten in einem großen Schutzhaus oder Gewächshaus im Freiland überwintern kann, dann hat man nicht viel zu tun: Die Schildkröten stellen sich unter Freilandbedingungen selbst auf die Winterruhe ein, indem sie die Nahrungsaufnahme allmählich einstellen und den Darm größtenteils entleeren. Auch die allgemeine Aktivität geht zurück. Den Rest machen die Tiere selbst: Bei zu niedrigen Temperaturen verschwinden sie im Substrat (Laub-Erde-Gemisch) in der Bodengrube und graben sich selbständig tief ein. Dafür sollte die Grube, je nach Region, 80 cm bis 1,20 m tief sein. Anschließend gibt man genügend Stroh über die Grube und füllt das Schutzhaus damit aus. Ein einfacher Frühbeetkasten ist für diesen Zweck zu klein und deshalb nicht für die Überwinterung geeignet. In einem Gewächshaus kann man eine Propangasheizung installieren, die die Temperatur bei ca. 5°C hält. Das Gewächshaus selbst kann man mit einer Folie (Noppenfolie für Beete) einmanteln, damit die Wärme nicht so sehr verloren geht. Im Boden des Gewächshauses legt man ebenfalls eine substratgefüllte Grube an, in die sich die Tiere zurückziehen können.
Überwintert man die Schildkröten im Haus, dann sollte man den Tieren die Entscheidung für den Einwinterungstemin evtl. abnehmen. Häufig sind die Tiere schon vorher im Terrarium untergebracht. Hier senkt man langsam die Beleuchtungsdauer bis November oder Dezember auf 4 - 5 Stunden. Wenn möglich, dann stellt man das Terrarium in einen ungeheizten Raum, damit vor allem nachts die Temperatur besser absinkt. So lange es draußen keinen Frost hat, kann man das Tier nachts auch in einem geschlossenen Karton/Kunststoffbox auf die Terrasse oder einen Balkon stellen. Wenigstens zwei Wochen/ bei großen Tieren drei Wochen vor dem geplanten Einwinterungstemin stellt man konsequent das Füttern ein. Es dürfen nur möglichst wenig Nahrungsreste im Darm verbleiben. In dieser Zeit kann man die Schildkröte noch ein- oder zweimal lauwarm baden, damit sich der Darm entleert. Wenn die Schildkröte auch im Terrarium nicht mehr aus ihrem Versteck kommt, dann ist sie "reif für den Winterschlaf". Jetzt die Schildkröte noch schnell wiegen und das Gewicht notieren !

Dann stellt man sie in einer Box (Holz, Kunststoff mit einigen Löchern im Deckel) entweder in den Keller oder in einen Kühlschrank. Am besten, man holt das Tier nachts bei der niedrigsten Temperatur aus dem Terrarium und übersiedelt es in seinen vorbereiteten Winterschlafbehälter. Dieser sollte vorher schon im Kalten gestanden haben. Meist graben sich die Tiere innerhalb eines halben Tages in ihr Substrat ein und bleiben dort ruhig liegen. Das Substrat muß aus natürlichen, feuchtigkeitsbeständigen Stoffen bestehen, die nicht schimmeln oder faulen: leicht feuchte Kokosfaser, leicht feuchte Gartenerde mit Buchen-Laub gemischt. Während der Winterruhe evtl. nachfeuchten !! Für Russische Landschildkröten (T. horsfieldii) ist es wichtig, trocken überwintert zu werden. Hier kann man einfach trockenes Laub oder trockene Kokosfaser verwenden.

Auf keinen Fall dürfen folgende Stoffe verwendet werden: Kies, Sand, Eichenlaub oder Walnusslaub (zu hoher Gerbsäuregehalt), Hobelspäne, Buchenholz-Hackschnitzel, Tücher, Zeitungspapier, Heu, Torfmull, Schaumgummi, Watte, Styropor, Papier, Blähton, Styropor, Holzspäne, geschreddertes Papier, Stroh

Die richtige Luftfeuchtigkeit ergibt sich durch das feuchte Substrat und muß deshalb nicht extra erzeugt werden. Sollte bei der Kühlschranküberwinterung keine Box mit Deckel zur Verfügung stehen, so ist diese Box unbedingt abzudecken (Frischhaltefolie, Plastikfolie, etc., in die ein ca. 1 x 1 cm grosses Loch zwecks Luftzirkulation geschnitten wird). Eine Abdeckung ist erforderlich, da die meisten Kühlschränke nach dem Verdunstungsprinzip arbeiten und dem Inhalt - in diesem Fall dem Substrat der hibernierenden Schildkröten - Feuchtigkeit entziehen.

Eine Überwinterung auf dem Dachboden ist generell abzulehnen. Die Gefahr, daß es tagsüber durch die Sonne zu warm wird, ist zu groß. Oft reichen nur wenige Grad Temperaturunterschied, damit die Schildkröten Aktivitäten entwickeln. Durch das ständige Aufwärmen und Abkühlen bricht irgendwann der Kreislauf und die Funktion der Körperorgane zusammen.

Wenn die Schildkröte ruhig liegt und schläft, dann haben wir nur diese Aufgaben:

  • Alle 4 Wochen zur Sauerstoffzufuhr die Kühlschranktür öffnen (eine Kiste an einem kalten Kellerplatz hat genug Sauerstoff),
  • die Substratfeuchte überprüfen und
  • alle 4 - 8 Wochen die Schildkröte zu wiegen (je nach Schildkrötengröße), Gewicht notieren !
  • Es darf kein Kondenswasser auf die Schildkröte tropfen und
  • die Temparatur muß immer gleichmäßig niedrig sein.
So lange die Gewichstabnahme die 10%-Marke nicht überschreitet, ist alles in Ordnung. Idealerweise nimmt die Schildkröte gar nicht oder nur 1 - 2 % ab. In seltenen Fällen nehmen die Tiere sogar zu. Sollte die Gewichtsabnahme über 10% liegen, dann stimmt etwas nicht. Entweder war das Substrat zu trocken, die Temperatur zu hoch (ein gutes Thermometer verwenden, nicht das Babythermometer von vor 30 Jahren), oder das Tier ist krank. In diesem Fall das Tier langsam innerhalb von 5 - 6 Tagen aufwärmen und dann ins Terrarium setzen. Danach am besten gleich zu einem Tierarzt gehen.
 
Winterruhe-Dauer bei Europäischen Land-Schildkröten:
  • Griechische Landschildkröte, (Ostrasse), T. hermanni boettgeri: max 4,5 Monate, Jungtiere 2 - 4 Monate
  • Griechische Landschildkröte (Westrasse), T. hermanni hermanni: max 3,5 Monate, Jungtiere nur 2 - 3 Monate
  • Maurische Landschildkröte, T. graeca ibera: max. 3,5 Monate, Jungtiere 2 - 3 Monate
    • Die anderen Unterarten von T. graeca machen auch in der Natur oft keine Winterruhe, bzw. manche südspanischen oder marokkanische Tiere überwintern oft bei 12-13 °C. Diese Tiere dürfen nicht auf herkömmliche Weise eingewintert werden, das würde ihren Tod bedeuten !!!
  • Russische Landschildkröte, T. horsfieldii: max. 5,5 Monate, Jungtiere in den ersten 2 Jahren evtl. nur 4 Monate, dann ebenfalls bis 5,5 Monate.
Es ist nicht vertretbar, aus eigenen Bequemlichkeiten heraus die Winterruhe unnatürlich zu verlängern oder in den Sommer zu verlagern (Sommerferien).
 
Störungen während der Winterruhe:

Die Tiere sind umgehend (langsam in 5 - 6 Tagen) auszuwintern, wenn folgende Umstände eintreten:

  • Das Tier ist sehr unruhig und will nicht schlafen (adultes Weibchen - Eier im Bauch ?, Darmparasiten ?, andere Erkrankung ?)
  • Äußere Veränderungen an der Haut oder am Panzer (Nekrosen wegen Nässe oder alten, unbehandelten Verletzungen)
  • Kotausscheidungen mit sichtbarem "Wurmbefall"
  • Eindeutige "Rotznase" (Schnupfen)
  • Geschwollene Augen, Beläge im Maul (Herpes, andere Infektionen)
  • Rote Flecken am Bauchpanzer (Sepsis ?, Erfrierungen ?)
  • Schimmelbildung auf Substrat und Schildkröte
Achtung: Bei verschiedenen Landschildkröten ist bei Hochdruck-Wetterlagen zu beobachten, daß die Tiere sogar im Kühlschrank bei gleicher Temperatur anfangen, sich unruhig zu benehmen. Das ist kein Grund zur Sorge. Sobald die Hochdruckwetterlage vorbei ist, kehrt wieder Ruhe ein. Die Russen überwintern in der Natur in bis zu 2 Meter tiefen Gängen. Hier nehmen sie die Temperaturerwärmung im Frühjahr nicht mehr so gut wahr und brauchen ein anderes Parameter um das Frühjahr zu spüren. Deshalb reagieren die Tiere verstärkt auf den Luftdruck. Auch andere Arten nehmen den Frühling nicht nur an der Temperatur wahr.
Ebenso können Bewegungen vernehmbar sein, wenn die Temperatur im Kühlschrank schwankt, dies ist häufig bei Kühlschränken mit integriertem Gefrierfach der Fall oder wenn die Box im Kühlschrank verlagert wird, beispielsweise in die Nähe des Verdampfers. Diese Fälle sollte man jedoch versuchen auszuschließen. Ein vorheriger Probelauf (ohne die Schildkröten) mit Thermometer im Kühlschrank an verschiedenen Stellen sollte eigentlich Pflicht sein.
Achtung: Wenn die Schildkröte nicht eingewintert wird (Krankheit, sonstige Gründe), dürfen Beleuchtungsdauer und Wärme nicht reduziert werden.
 
 
Wie beende ich nun die Winterruhe richtig und was ist dabei zu beachten ?
 
Die Keller-/Schuppen-/Garagen-Schildkröten setzt man einfach für ein paar Tage an einen Ort, an dem es wärmer als im Keller, aber kälter als im Zimmer ist. Wer es ganz genau machen will, kann verschiedene Plätze aussuchen und somit die Temperatur langsam erhöhen. Hier ist ein gutes Thermometer behilflich.

Die Kühlschrank-Schildkröten kann man einfacher mit der Temperatur "hochfahren", in dem man den Thermostat jeden Tag ein wenig höher dreht. Wichtig dabei ist, daß die Schildkröten 5 - 8 Tage Zeit haben ihren Stoffwechsel LANGSAM wieder anzukurbeln. Nach diesem Zeitraum setze ich meine Schildkröten noch einen Tag ohne Heizung und Beleuchtung ins Terrarium (Zimmertemperatur), damit sie sich noch ein wenig akklimatisieren können. Erst am nächsten Tag schalte ich die Wärmestrahler wieder ein. Wenn sie aufgewärmt sind, werden meine Schildkröten erst einmal gründlich durchgecheckt:

  • Sind die Augen klar und weit geöffnet ?
  • Ist die Nase trocken ?
  • Es gibt weder am Rücken- noch am Bauchpanzer Stellen, die Verfärbungen aufweisen oder gar weich sind ?
  • Ist die Zunge und der Maulinnenraum klar und rosa, ohne weiße oder gelbliche Beläge ?
  • Bewegt sich die Schildkröte nicht sehr träge und/oder desorientiert, sondern normal ?
  • Ist die Atmung ohne Geräusche ? (nicht mit einem Fauchen zur Abwehr zu verwechseln :-)
  • Ist der erste Urin nicht dicklich/schleimig/zäh und stark gelb/leicht rötlich verfärbt, sondern fast klar und weitgehend flüssig ?
  • Sind die Schuppen auf den Gehörgängen (Ohren) flach anliegend, nicht ausgebeult ?
Wenn man alle diese Fragen mit einem klaren "Ja" beantworten kann, dürfte die Schildkröte in Ordnung sein. Wenn nicht, dann lieber sofort einen Schildkrötenerfahrenen Tierarzt zu Rate ziehen. Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig den Tierarzt fragen. Jetzt gönne ich den Schildkröten erst einmal ein ausgiebiges Bad in lauwarmen Wasser (25 - 30°C). Diesem Badewasser setze ich auf einen Liter Wasser einen Teelöffel Kochsalz zu, damit die Tiere beim Trinken ihren Elektrolytverlust vom Winter etwas ausgleichen können. Hier wird eventuell Urin ausgeschieden. Ein "Häuferl" erscheint i. d. Regel noch nicht. Nach meiner Erfahrung fressen die Tiere meist schon nach diesem ersten Bad wieder etwas Salat. Spätestens am dritten Tag nach dem Baden fressen sie wieder wie die Schleuderaffen :-) Kot wird jedoch erst nach zwei bis drei Wochen ausgeschieden, weil es eben so lange dauert, bis die erste Nahrung wieder am Darmende ankommt. Bei sehr kleinen Tieren (ein- bis zweijährige) kann das aber auch schon mal nach einer Woche sein.

Es kann durchaus auch sein, daß ein Tier einige Tage braucht, bis es wieder Nahrung aufnimmt. Es ist aber immer ein Alarmzeichen, wenn dies länger als eine Woche dauert oder wenn ein Tier für längere Zeit beim Fressen sehr heikel ist. Hier liegen häufig Leberprobleme vor, die verschiedene Ursachen haben können. Ein Tierarzt hilft in diesem Fall mit einer genauen Blutanalyse weiter. Hier gibt es auch keine Patentrezeptchen, die man selbst durchführen könnte. Da hilft wirklich nur eines: rechtzeitig ab zum Tierarzt. Da schon kurz nach der Winterruhe auch die Paarungszeit beginnt, ist bei geschlechtsreifen Tieren darauf zu achten, daß die Männchen die Weibchen nicht zu arg schikanieren. Zum Liebesspiel der Schildkröten gehört übrigens auch, daß das Männchen das Weibchen mit seinem Panzer rammt oder es in die Beine beißt. Solange kein Blut fließt und das Weibchen auch geschlechtsreif ist, kann man das eifrige Männchen schon eine Weile gewähren lassen. Evtl. setzt man ein allzu stürmisches Männchen in ein extra Terrarium, damit die Weibchen verschnaufen können und nicht wegen Stress krank werden.